top of page
Diathlon
Kolumne einer abenteuerlustigen Couchkartoffel
Was macht man an einem grauen Spätsommersonntagmorgen?
Da würden mir spontan so einige schöne Dinge einfallen: Einen vollendet veredelten Spitzenkaffee kochen (oder besser: sich einen ans Bett bringen lassen), unter der Decke im aktuellen Lieblingsbuch schmökern oder am allerbesten: Einfach noch ein bisschen weiterschlummern.
“Komm, wir gehen joggen“, sagt der Mann in besagter Morgenstunde.
Joggen. Unter allen möglichen Sonntagsvergnüglichkeiten für mich ungefähr an Stelle siebentausendneunhundertfünfzigkommadrei. Ja, kann man mal machen, gegen schlechtes Gewissen an einem Dienstagabend, aber am Wochenende? Das muss doch nicht sein.
“Oder nee, besser: Wir machen einen Diathlon“.
Moment. Was soll das denn sein?
„Wir joggen bis zum Fluss, schwimmen da eine Runde und laufen danach wieder zurück. Kein Triathlon also, sondern ein Diathlon.“
Die Frage nach der Richtigkeit dieser Wortschöpfung mal außer Acht gelassen: Irgendwas spricht mich an diesem Vorhaben an. Vielleicht, weil man sowas normalerweise nicht macht. Entweder man geht schwimmen, oder man spaziert (vor allem sonntags um 10 in Deutschland, wenn man nicht gerade Knoppers isst). Oder man fährt Fahrrad oder man macht eben einen Triathlon (dann aber mit Anmeldung!). Einfach so zum Spaß irgendwo hinrennen, da ins Wasser springen und dann zurücklaufen? Etwas ungewöhnlich. Finde ich gut.
Und überhaupt: Warum sind wir Menschen eigentlich immer so schrecklich vorhersehbar? Wie oft sieht man z.B. jemanden rückwärts spazieren? Gut, schlechtes Beispiel. Vorwärtsgehen hat zugegebenermaßen eindeutige evolutive Vorteile. Aber wir könnten doch wenigstens mal zehn Minuten auf dem Gehweg stehen bleiben, in Ruhe den Himmel betrachten und ein bisschen träumen. Oder ein Zelt im Wohnzimmer aufbauen und hier übernachten. Oder, ganz verrückt: Ein Marmeladenbrötchen mit gekochtem Ei zum Abendbrot essen.
Aber ich schweife ab. Wir werfen uns also in sportive Schale und joggen mit einem kleinen Handtuch bewaffnet zum Fluss um die Ecke. Dort angekommen, sind wir tatsächlich nicht allein: Neben ein paar gut gelaunten graubehaarten Frühsportlern in Bademänteln sitzt auch ein Yogi auf der Wiese, der ein bisschen Publikum für seine Achtsamkeitsübungen braucht. Und ein gutes Selfie für Insta.
Wir springen ins Wasser, schwimmen zum anderen Ufer und zurück und werden sogar mit einigen Sonnenstrahlen belohnt. Kurz abgetrocknet, geht’s auch schon wieder zurück.
Kleine Serviceinformation an dieser Stelle: „Nur kurz abtrocknen“ hat zur Folge, dass der Bikini beim Zurückjoggen durch die Hose tropft. Eine Lösung für das Problem kann ich allerdings auch nicht anbieten. Denn: Wie nimmt man beim Joggen unauffällig Unterwäsche zum Umziehen mit? Eingerollt im Handtuch? Sollte sie einem beim Laufen vor die Füße fallen, wird man fragende Blicke ernten. Und das Risiko möchte ich nicht eingehen.
Wir kommen jedenfalls vollgepumpt mit Endorphinen und der Frage, was der Tag wohl noch Schönes bringen wird, zurück nach Hause. (Spoiler: Nicht mehr so viel. Von der Ertüchtigung bin ich nachmittags so müde, dass ich in einen zweieinhalbstündigen Erholungsschlaf verfalle. Allerdings in einen sehr, sehr zufriedenen).
Bleibt die Erkenntnis: Mal was Neues ausprobieren ist was Feines. Muss allerdings nicht jeden Sonntag sein. Ein Kaffee im Bett ist auch schön.
Der Diathlon: Lebenslauf
bottom of page